Fortschritte der Psychotherapie
Dieses Fachmanual beschreibt Prokrastination als eine extreme Form des Aufschiebens und legt nahe, diese als eigenständiges Störungskonstrukt zu betrachten. Auch wenn Prokrastination keine eigenständige Diagnose darstellt, werden die Begleitstörungen durchaus behandelt. Prokrastination soll dabei im Gesamtzusammenhang der anderen Störungen, z. B. Depression, Angststörung oder eben ADHS, berücksichtigt werden.
Dass Prokrastination bei ADHS eine große Rolle spielt, wird niemanden verwundern – 50 % derjenigen mit ADHS zeigen das hier beschriebene extreme Aufschiebeverhalten. Andererseits haben „nur“ 20 % die extreme Aufschieber-ADHS, sodass die ADHS-Neurobiologie alleine Prokrastination nicht erklären kann. Das Manual beschreibt ein lerntheoretisches Erklärungsmodell für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Prokrastinations-Teufelskreise und verhaltenstherapeutische Methoden zur Behandlung dieser.
Für die Behandlung von Prokrastination werden Module vorgestellt mit klaren Hinweisen, wann welches Modul am zielführendsten ist. Beispielsweise werden im Modul Kognitive Methoden typische Aufschiebe-Gedanken identifiziert wie „Ich mache mir kurz noch einen Kaffee, dann fange ich an“ oder „Heute bin ich zu müde, das lohnt sich nicht“, „Morgen fange ich dafür so richtig an“. Gleichzeitig wird gewarnt, dass die Arbeit mit Gedanken nicht zu sehr von dem Ins-Handeln-Kommen ablenken soll, z. B. durch das Nutzen des Moduls Arbeitszeitrestriktion. Hier wird der Effekt genutzt, dass ein knappes Gut attraktiver ist und eine „Jetzt oder nie!“-Reaktion fördert. Zunächst sind nur zwei Arbeitseinheiten je 20 Minuten „erlaubt“, längere Arbeitseinheiten müssen erst „verdient“ werden durch tatsächliches Nutzen der Einheiten. 20 Minuten erscheinen sehr kurz, sind aber deutlich länger als nichts – welches oft der tatsächlichen Befassung mit nicht dringlichen Aufgaben entspricht, wenn wir über extremes Aufschieben sprechen. Auch bei Arbeitszeitrestriktion gibt es einschränkende Bedingungen, so ist diese nur dann sinnvoll, wenn keine Frist naht. Auch für die weiteren Module namens Masterplan, Bedingungsmanagement, Realistisch Planen und Pünktlich Beginnen werden zentrale Schritte zur Durchführung dargestellt.
Dieses Manual richtet sich an Fachpublikum, die Stärke ist eine knappe und übersichtliche Darstellung wissenschaftlich anerkannter Faktoren und Methoden. Für die Anwendung in Eigenregie bei weniger schwerem Aufschiebeverhalten gibt es andere passende Literatur, im vorliegenden Manual werden Fertigkeiten für die Umsetzung in der Praxis vorausgesetzt.
Wer das Manual Prokrastination von denselben Autoren aus dem Jahr 2013 kennt, wird viele Aspekte wiederfinden, die für das aktuelle Manual weiterentwickelt wurden. Das vorliegende Werk hat dabei deutlich an Übersichtlichkeit dazugewonnen, sodass es als hilfreiches Nachschlagewerk im Verlauf einer Therapie dabei unterstützen kann, bei der Arbeit mit Prokrastination den Fokus zu behalten.
Anastasia Zhukova