FAQ
- Was ist der Unterschied zwischen mir und einem „normalen Kind“? Warum ist das so?
Menschen sind Individuen – jeder ist anders und eine besondere Persönlichkeit. In jedem Menschen sind Gene der Eltern, Großeltern und anderer Vorfahren vorhanden. Die Auswirkungen dieser Gene werden durch Familie und Umwelt verstärkt oder abgeschwächt. Und dadurch kommt es zu einer besonderen und unverwechselbaren Persönlichkeit. Manchmal sind diese Anlagen so zusammengestellt, dass man mit seinem Verhalten und seinen Fähigkeiten mehr aus dem üblichen Rahmen fällt als andere, sogenannte „Normale“. Ob dieses „Anderssein“ dann mehr Vorteile oder Nachteile hat kann ganz unterschiedlich sein. Wichtig ist, wenn dieses Anderssein zu größeren Problemen führt, dass man Hilfe und Unterstützung sucht. Und die kann man über die Eltern bei Ärzten, Psychologen und anderen Helfern finden.
- Warum bin ich anders?
Weil Du eine besondere, eigene Persönlichkeit bist und damit immer anders sein wirst als andere. Und wenn man ADHS hat, ist man immer noch ein bisschen mehr „anders“ (zu ADHS: s. Frage 13).
- Warum geben Eltern ihren Kindern nicht die Chance, Medis auszuprobieren?
Medikamente kann man nur anwenden, wenn nach sorgfältiger Untersuchung eine Diagnose gestellt wird, bei der Medikamente Hilfe versprechen. Eltern haben die Sorgfaltspflicht darauf zu achten, dass nicht unnötig Medikamente gegeben werden und auch keine Medikamente, die eventuell Schaden anrichten. Etwas „auszuprobieren“, ohne vorher eine klare Diagnose gestellt zu haben, wäre fahrlässig. Und Eltern wollen sicher nichts tun oder zulassen, was ihren Kindern schaden könnte!
- Sind Medikamente wirklich immer die angeblich beste Lösung??
Die Behandlung stützt sich im Wesentlichen auf drei Maßnahmenbündel: Psychoedukation, Verhaltenstherapie und die medikamentöse Behandlung. Ihre Anwendung erfolgt in der Regel ambulant und in einem interdisziplinären Ansatz, der in einigen Bundesländern durch die Sozialpsychiatrievereinbarungen begünstigt wird.
Die Psychoedukation umfasst die Erklärung des Krankheitsbildes, Informationen zur Ätiologie, zum Verlauf und zu den möglichen Behandlungsalternativen für die betroffenen Patienten und die Sorgeberechtigten sowie, nach elterlicher Einwilligung, außerfamiliären Bezugspersonen (Erzieher im Kindergarten, Lehrer), die für das Gelingen der Behandlung relevant sind. Letztere können einen erheblichen Beitrag sowohl zur Diagnostik als auch zur Therapie der Störung leisten, insbesondere auch zu deren Akzeptanz in den verschiedenen Lebensfeldern des Kindes.
Die psychotherapeutischen Ansätze mit Wirksamkeitsnachweis stützen sich auf verhaltenstherapeutische Prinzipien. Als besonders hilfreich haben sich direkte verhaltenstherapeutische Interventionen mit dem Kind und das Eltern-Training sowie eine verhaltenstherapeutische Intervention im Kindergarten/in der Schule erwiesen. Die Intervention fußt auf der Definition des Problems (kritisches Verhalten) und einer Verhaltensanalyse (Bedingungszusammenhänge). Die Therapie stützt sich im Wesentlichen auf operante Techniken (Kontingenzmanagement: Münzverstärker-Systeme, Response-Cost, Time-Out).
In der medikamentösen Behandlung sind Stimulanzien auf Grund ihrer erwiesenen Wirksamkeit Medikamente der ersten Wahl. Als Medikament zweiter Wahl kann nach dem derzeitigen Kenntnisstand Atomoxetin und seit 01.07.2013 Lisdexamfetamin angesehen werden. Alle anderen Präparate sind Medikamente der dritten Wahl und sollten nur angewandt werden, wenn die Medikamente der ersten und zweiten Wahl nicht wirksam sind oder ausgeprägte unerwünschte Wirkungen aufweisen.
Zahlreiche Studien belegen die signifikante Wirkung von Stimulanzien in der Therapie der Kernsymptome der ADHS. Die weitaus meisten Studien liegen für Methylphenidat vor, doch gibt es auch hinreichend Belege für die signifikante Wirkung von Amphetaminen und neuerdings Atomoxetin bei Kindern mit ADHS.
Die Indikation zur Stimulanzienmedikation ist bei gesicherter Diagnose nach ICD-10- oder DSM-IV-Kriterien gegeben, wenn die Symptomatik ausgeprägt ist und eine psychoedukative und psychotherapeutische Hilfe nicht umsetzbar oder innerhalb der Frist einiger Wochen nicht hilfreich war. Die Behandlung sollte in der Regel mit einem schnell freisetzenden Stimulans beginnen. Die Dosierung der Stimulanzien ist individuell zu bestimmen. Beim Methylphenidat ist der Wirkungseintritt nach etwa einer halben Stunde für die Dauer von etwa vier Stunden zu erwarten. Retardformen beinhalten Methylphenidat, das in einer ersten Phase rasch, in einer zweiten Phase verzögert freigesetzt wird, so dass bei einmaliger morgendlicher Gabe die Wirkung zwischen 6 bis 12 Stunden andauert. Die Indikation für die gegenüber den schnell freisetzenden Präparaten z. Zt. wesentlich teurere Retard-Medikation ist gegeben, wenn eine verlässliche Mehrfach-Gabe dieser Präparate nicht möglich ist und ein stabiler Tageseffekt auf andere Weise nicht erreicht werden kann.
Die Dauer der Medikation bestimmt sich individuell. Ihre Wirksamkeit wird als Symptomreduktion beurteilt und erfolgt nach klinischer Einschätzung und unter Einbeziehung der Informationen von Personen, die das Kind gut kennen. Hierzu sind auch Einschätzskalen (z.B. die Connersskala) hilfreich. Ist nach Beginn der Medikation von Methylphenidat und ausreichender Dosierung über einen Zeitraum von 6 Wochen keine hinreichend positive Wirkung zu beobachten, so sind Diagnose, Qualität der Wirksamkeitskontrolle, Dosierung und Compliance zu prüfen. Hat sich die Medikation mit Methylphenidat als nicht hinreichend wirksam erwiesen, so empfiehlt sich die Medikation von d-l - Amphetamin. Die begonnene Medikation sollte mindestens über den Zeitraum eines Jahres konsequent durchgeführt und auch jährlich überprüft werden.
Für das Erwachsenenalter ist nur Medikinet adult (als Stimulanz) und Strattera als Nicht-Stimulanz zugelassen.
Nicht-Stimulanzien-Therapie
Atomoxetin ist nach Methylphenidat und Amphetamin die am besten untersuchte Substanz mit guter Evidenzlage. In randomisierten Placebo-kontrollierten doppelblind-Studien konnte nach Einmal- bzw. Zweimalgabe (empfohlene Tagesdosis nach kontinuierlicher Aufdosierung etwa 1,2 mg/kg Körpergewicht) eine über den Tag anhaltende signifikante Reduzierung sowohl der Kernsymptome der ADHS bei günstigem Nebenwirkungsprofil als auch eine Verbesserung von Depressivität und Maßen der psychosozialen Lebensqualität nachgewiesen werden.
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Atomoxetin wurde durch mehrere doppelblind, plazebo-kontrollierte Studien auch für die Therapie des ADHS bei Erwachsenen nachgewiesen.
Die Wirksamkeit des Methylphenidats in der Behandlung von ADHS wurde in zahlreichen unabhängigen Studien an über 5000 Patienten belegt. Zu keiner anderen psychischen Störung des Kindesalters liegen hinsichtlich Quantität und Qualität vergleichbare Studien zu Wirkung und unerwünschten Wirkungen einer störungsspezifischen Medikation vor. Auch ist die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Interventionen relativ gut untersucht. Allerdings fehlen vergleichbare Studien für Jugendliche und Erwachsene mit ADHS. Psychoedukation, Psychotherapie und Medikation sind die wesentlichen Komponenten in der Behandlung. Komorbide Störungen sind sehr oft gleichzeitig zu behandeln. In der Regel ist eine multimodale Intervention notwendig. In einer an zwei Zentren (New York und Montreal) durchgeführten Studie wurde vergleichend und in Kombination die Wirkung von Methylphenidat und psycho-sozialer Maßnahmen, ebenfalls über einen Zeitraum von 8 Jahren, untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Kombination von Methylphenidat plus psychosoziale Behandlung der alleinigen Behandlung mit Methylphenidat überlegen war.
- Wirkt Cola/Redbull wirklich beruhigend bei ADHSlern?
Bei manchen Menschen mit ADHS wirken die stimulierenden Substanzen in Cola, Red Bull und Kaffee (Coffein) etwas ähnlich wie die Stimulanzien (Methylphenidat, Dexamfetamin), die wir Ärzte als Medikamente bei ADHS verschreiben. Sie haben aber mehr negative Nebenwirkungen wie Herzjagen, Blutdruckerhöhung, Händezittern und Magenreizungen als die entsprechenden Medikamente. Und bei vielen Menschen wirken sie auch nur wenig oder nicht aufmerksamkeitsfördernd.
- Sind ADHSler besonders vor Süchten gefährdet (Nikotin/Alkohol/Drogen)?
Das Suchtrisiko ist bei Vorliegen eines ADHS um den Faktor 4 erhöht.
17-45% der erwachsenen ADHS-ler zeigen einen Alkoholmissbrauch, bzw. eine Alkoholabhängigkeit.
9-30% der ADHS-ler einen Substanzmittelmissbrauch, bzw. Abhängigkeit. (Ohlmeier, Hannover; Krause, München; Rössler, Homburg)
Der Verlauf der Suchterkrankungen zeigt sich außerdem durch einen frühen Beginn, schwere Verläufe und häufigere Übergänge in Polytoxikomanien.
Bei unbehandeltem ADHS beträgt das Suchtrisiko bis zu 50%.
Ursachen des erhöhten Suchtrisikos:
Sowohl bei ADHS, wie auch bei Suchterkrankungen spielt das Gehirnhormon Dopamin eine Rolle. Dopamin steuert die Motivation und die Konzentration. Außerdem lenkt es die Aufmerksamkeit auf Reize, die eine Belohnung verheißen. Wir nennen das auch Suchtgedächtnis. Das Gehirn fokussiert mit Hilfe von Dopamin die Ereignisse und Situationen, die den Genuss der Drogen und die erwartete Wirkung in Aussicht stellen. Die Wahrnehmung wird auf diese Weise eingeschränkt und darauf gefiltert, dass vorwiegend Reize wahrgenommen werden, die mit dem Suchtkonsum in Zusammenhang stehen.
So kommt es wahrscheinlich durch eine zunehmende Einengung der Wahrnehmung auch zum Suchtdruck. Diese Art der Hyperfokussierung ist auch bei ADHS gut bekannt.
Weiterhin ist davon auszugehen, dass Substanzmittelmissbrauch häufig als Selbstmedikation und Selbsttherapie betrieben wird. Nikotin, Cannabis und Kokain wirken an den Nervenendigungen (Synapsen) ähnlich wie Dopamin oder das Medikament Ritalin. Betroffene konsumieren diese Rauschmittel um damit die Auswirkungen und die Symptome ihres ADHS abzumildern. So nimmt Cannabis die innere Unruhe und Getriebenheit und man kann damit abschalten und den ständigen Stimmungsschwankungen entgegenwirken.
Nikotin erhöht die Aufmerksamkeit und macht ruhiger und gelassener, insgesamt entspannter. Nikotin hilft auch dabei sich klarer und weniger sprunghaft erfahren zu können und mehr Ordnung und Struktur ins Leben zu bringen. Eine ähnliche Wirkung hat Kokain, was aber deutlich mehr Euphorie bewirkt. Der Substanzmittelmissbrauch vermindert ADHS Symptome, schafft aber gleichzeitig neue Abhängigkeiten und Konflikte außerdem kann eine negative persönliche Entwicklung dadurch noch verstärkt werden. Cannabis verschlechtert zudem die Konzentration und bremst Eigenmotivation und Antrieb, was zu einer deutlichen schulischen Verschlechterung führen kann. Weiterhin treten bei ADHS häufiger kleine depressive Verstimmungen, so genannte ADHS-Blues auf. Es kann auch zu langanhaltenden depressiven Verstimmungen kommen. Auf Grund der Dünnhäutigkeit bei ADHS-lern braucht es meist nur Kleinigkeiten, um depressive Reaktionen auszulösen und die Stimmung entgleist wieder melancholisch. Auch hier dienen Drogen als Flucht aus der belastenden depressiven Situation.
ADHS-Betroffene sind außerdem auf der ständigen Suche nach Reizen. Sie können Langeweile schlecht ertragen und erleben diese geradezu als schmerzhaften Zustand, den es zu vermeiden gilt. Richtig wohl fühlen sie sich nur, wenn sie Action erleben, den Nervenkitzel, der sie belebt und sie aus ihrer Lethargie herausreißt. Auf der Suche nach Abenteuer sind sie leichtsinnig und unfallgefährdet. Sie handeln impulsiv nach dem Motto: „erst gemacht, dann gedacht“ und so bedenken sie häufig nicht die Folgen ihres Handelns. Sie scheinen wenig Angst zu haben und sind so auch aus diesem Grund leicht verführbar.
ADHS-ler können weiterhin schlecht Missstimmungen ertragen. Sie haben den Anspruch, dass das Leben immer Spaß machen muss. Es fällt ihnen schwer Bedürfnisse aufzuschieben und sie streben nach sofortiger Bedürfnisbefriedigung. Nach dem Motto: ich will alles - jetzt, sofort und immer. Die Drogen geben zumindest eine Illusion davon, dass die Welt berechenbar und Glück jederzeit verfügbar ist. Dabei haben gerade sie häufig mit Misserfolgen und Niederlagen zu kämpfen. Sie neigen dazu, allzu schnell zu resignieren.
ADHS-ler sind häufig auch maßlos und können alles übertreiben. Sie sind Meister der Exzesse und Obsessionen.
ADHS-ler haben manchmal auch bereits eine dissoziale Entwicklung im Jugendalter. Insbesondere dann, wenn sie die Schule verlassen müssen und keine Einbindung in einen Arbeitsbereich erfolgt. Sie hängen herum, tun sich mit Gleichgesinnten zusammen, machen aus Langeweile und Übermut kleinkriminelle Handlungen. Sie fühlen sich zusammen stark, wähnen sich in der Opposition als die Ausgestoßenen, die sich fortan gegen den Rest der Welt zusammentun. Es verbindet sie die Niederlagen und die Ablehnung, die sie im Trotz zusammenschweißt; wo sie ihre Identität durch Provokation und Grenzüberschreitung finden. Sie wollen sich bewusst nicht an Regeln halten, propagieren die Anarchie und erleben es als einen Akt der Selbstverwirklichung, sich aus dem bürgerlichen Leben, allen Pflichten und gesellschaftlichen Regel zu verabschieden.
Man findet auch Schwierigkeiten in ihren Elternhäusern, eine „broken home“ Situation, weil Eltern selbst von ADHS betroffen sein können oder selbst eine Suchtproblematik haben. Wenn die Eltern auch Suchtprobleme haben, steigt das Risiko einer Abhängigkeit bei den Kindern deutlich an.
Die Behandlung des ADHS verringert das Auftreten einer späteren Suchtentwicklung. Die Behandlung mit Methylphenidat (Ritalin) ist bei Abhängigen problematisch. Einige Studien zeigen positive Resultate. Insgesamt scheint die Medikation das Auftreten eines Cravings zu verringern. Strattera ist eine weitere Behandlungsalternative.
Es werden dringend weitere Studien zum Thema ADHS und Suchtbehandlung benötigt.
- Was kann ich gegen mein ADHS tun?
Zuerst einmal die positiven Seiten sehen: Reizoffen, ideenreich, kreativ, schnell reaktionsfähig. Dann versuchen den Alltag und seine Aufgaben zu ordnen, strukturieren und die notwendigen Tätigkeiten abzuarbeiten nach Plan und Wichtigkeit. Kalender und Notizbuch (auch elektronisch) führen. Einen Coach suchen – manchmal sind die Eltern geeignet - und einen geeigneten Arzt/Psychologen/Therapeuten zu dem man Vertrauen hat und der die Probleme versteht, die Störung erklärt und die geeigneten Therapien einleitet.
- Wollen mich meine Eltern nicht verstehen?
Doch, aber es ist schwer, ADHS, die Verhaltensweisen und insbesondere die Denkweise von Jugendlichen in der Pubertät nachzuvollziehen. Eltern wollen eigentlich immer das Beste für ihre Kinder und fürchten (oft zu Recht), dass Tätigkeiten und Verhalten von Jugendlichen Schäden verursacht – bei den Jugendlichen selbst und bei der Umgebung.
- Warum gibt es so viele Mütter, die so extreme Sorgen haben?
Mütter sind von Natur aus programmiert ihre „Brut“ vor allen Schäden zu schützen und so zu versorgen, dass sie gesund groß und erwachsen werden. ADHS sorgt für viermal so viele Unfälle mit höherem Schweregrad, für mehr Misserfolge in Schule, Beruf und Partnerschaft, so dass Mütter das „gesunde Erwachsen werden“ gefährdet sehen – und deswegen sind sie so besorgt!
- Bin ich hyperaktiv? Habe ich ADHS, wenn ich häufig aufgedreht und unkonzentriert bin?
Ob ADHS besteht oder nicht, kann man nur mit einer sehr sorgfältigen und ausführlichen Diagnostik feststellen. Schnellschüsse bei „häufig aufgedreht und unkonzentriert“ sind sicher nicht richtig, weil es oft ganz andere Ursachen gibt. Im Zweifelsfall immer den Arzt fragen!
- Altersspanne für AD(H)S?
Grundsätzlich kann sich ADHS wie ein roter Faden durchs Leben ziehen und immer wieder wie ein Geist durch das Leben von Betroffenen spuken. Bei Kenntnis dieses ADHS-Geistes kann man ihn auch zu deinem guten Geist machen.
Das setzt allerdings voraus, dass man sich mit ihm auseinandersetzt, dass man ihn gut kennt und gute Strategien erarbeitet. Meist haben die ADHS-ler ganz bestimmte Lebensthemen, die immer mal wieder im Laufe des Lebens aufblitzen. Hierzu gehören die Themen: Selbstorganisation, Gefühlskontrolle, Konzentration und Selbstwertgefühl. ADHS-ler neigen zum Chaos und so müssen sie meist ihr ganzes Leben lang darauf achten, dass sie sich immer wieder sortieren, sich selbst strukturieren und in ihrem Leben auf Ordnungssysteme zurück greifen nach dem Motto: Chaos entsteht von selbst, Ordnung muss man schaffen. Weiterhin müssen ADHS-ler im Leben immer wieder aufpassen, dass ihnen im Eifer des Gefechtes nicht der Gaul durchgeht und sie ausrasten oder die Kontrolle über ihre Gefühle verlieren. Das Thema Konzentrationsschwierigkeiten bleibt Betroffenen meist auch ein Leben lang erhalten. Hier muss man sich immer wieder daran erinnern, dass Reizüberflutung und zu viel auf einmal der Konzentration sehr schaden. Auch das Selbstwertgefühl schwankt bei Betroffenen meist ganz erheblich. Es ist nicht nur „himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“, sondern eben auch zwischen Hochgefühl und völligem Minderwertigkeitsgefühl eine ständige Achterbahn im Leben.
Es geht eigentlich darum, dass man als ADHS-ler lernt sich gut zu organisieren und ansonsten die Eigenschaften eines Stehaufmännchens zu erlernen. Das Stehaufmännchen wird von außen gelenkt, so wie es einfach oft im Leben passiert, dass äußere Einflüsse einen aus dem Gleichgewicht bringen. Je stabiler nun der innere Kern des Stehaufmännchens ist, desto schneller findet es wieder zurück in seine Mitte. So geht es im Leben darum mehr Gelassenheit und Stabilität zu erreichen und sich nicht mehr so schnell von vermeintlichen Kränkungen kränken und vermeintlichen Provokationen provozieren zu lassen, nach dem Motto: wer mich ärgert und wie lange bestimme ich.
- Ist AD(H)S vererbbar?
Die Ursachen und Entstehungsbedingungen der ADHS sind noch nicht vollständig geklärt. Es gilt aber als sicher, dass das Störungsbild nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen ist, sondern dass mehrere Komponenten an der Verursachung beteiligt sind. Darüber hinaus sind manche neurobiologischen Befunde auch bei anderen kinderpsychiatrischen Störungen zu erheben, d. h. das störungsspezifische pathophysiologische Gefüge der ADHS lässt sich derzeit erst annähernd beschreiben.
Genetische und exogene Risikofaktoren
Im Sinne einer multifaktoriellen Genese ist an Wechselwirkungen verschiedener Gene und das Zusammenspiel genetischer und exogener Faktoren zu denken.
Familien-, Adoptions- und Zwillingsstudien zeigen, dass genetischen Faktoren die größte Bedeutung in der Ätiologie zukommt. Etwa 65-90% der phänotypischen Varianz werden auf genetische Faktoren zurückgeführt, unabhängig davon, ob ADHS als abgegrenzte Störungskategorie oder in seinen drei Kerndimensionen gefasst wird. Geschwister, Eltern oder andere Verwandte haben ein etwa 3-5-fach erhöhtes Risiko ebenfalls an ADHS zu erkranken. Biologische Eltern leiden häufiger unter ADHS (18%) als Adoptiveltern (3%). Wahrscheinlich spielen DNA-Polymorphismen verschiedener Gene eine Rolle bei der Entstehung der ADHS.
Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, ein erniedrigtes Geburtsgewicht, Infektionen und Toxine (z. B. pränatale Alkohol-, Benzodiazepin- oder Nikotinexposition), ZNS-Erkrankungen und -verletzungen sowie ungünstige psychosoziale Bedingungen gelten als exogene Risikofaktoren. Pränatale Alkohol- und Nikotinexposition sind sogar bedeutsame eigenständige Risikofaktoren. Die immer wieder diskutierte Assoziation zwischen atopischen Erkrankungen (z. B. Neurodermitis) und ADHS konnte bislang nicht zweifelsfrei belegt werden. Insbesondere wurde kein kausaler Zusammenhang zwischen IgE-Titer und ADHS-Symptomatik nachgewiesen. Schwere Deprivation in der frühen Kindheit (z. B. Vernachlässigung bei institutioneller Erziehung, sehr ungünstige psychosoziale Bedingungen in der Familie) sind ätiologisch bedeutsam, tragen aber vor allem zu Schweregrad und Stabilität der Symptomatik sowie zum Auftreten assoziierter Beeinträchtigungen bei, insbesondere zu aggressiven und dissozialen Verhaltensauffälligkeiten. Aber auch hier bedarf es der weiteren Klärung zu Wechselwirkungen zwischen genetischer Veranlagung und Umgebungsfaktoren.
Eltern sind häufig mitbetroffen. Wünschenswert wäre auch deren Betreuung und Behandlung. Kaum möglich.
- Was heißt AD(H)S?
Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung
Über die Symptome Unaufmerksamkeit, motorische Unruhe und Impulsivität wird eine Gruppe von Störungsbildern definiert, die in den gebräuchlichen Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-IV als hyperkinetische Störung (HKS) bzw. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) detailliert beschrieben und mit diagnostischen Kriterien versehen werden.
Die Kernsymptome sind:
• Störung der Aufmerksamkeit mit Mangel an Ausdauer bei Leistungsanforderungen und die Tendenz, Tätigkeiten zu wechseln, bevor sie zu Ende gebracht wurden.
• Unruhiges Verhalten insbesondere mit Unfähigkeit, stillsitzen zu können.
• Impulsivität z. B. mit abrupten motorischen und / oder verbalen Aktionen, die nicht in den sozialen Kontext passen.
Entscheidend für die Diagnose sind die nicht Alter und Entwicklungsstand entsprechende Ausprägung der Symptome, der frühe Beginn der Störung, im Allgemeinen vor dem Alter von 6 Jahren, sowie eine Dauer des Bestehens von mehr als 6 Monaten und das Auftreten in mehr als einer Situation (z. B. zu Hause, im Klassenzimmer, in der Freizeit).
Jungen sind deutlich häufiger betroffen als Mädchen. Andere, für die Diagnose jedoch nicht maßgebliche Störungen verbinden sich überzufällig häufig mit Hyperkinetischen Störungen bzw. Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), vor allem umschriebene Entwicklungsstörungen der Sprache, des Lesens und der Rechtschreibung, Tic-Störungen sowie, teils sekundär, Störungen des Sozialverhaltens und emotionale Störungen. (Quelle BÄK 2005)