Petra Halbig
ADHS ... Danke für die Gabe
ISBN: 978-3939621775
Verlag: Breuer & Wardin, Bergisch Gladbach, 1. Auflage (12. April 2010)
Preis: 24,00 €
Petra Halbigs Buch setzt im Titel den Akzent „Danke für die Gabe“, gibt ADHS also einen positiven Schwung. Und das ist ihr auch gelungen in diesem flott aufgemachten Ratgeber. Frau Halbig ist Diplom Pädagogin und Coach und sie ist selbst von ADHS betroffen. Sie hat erfahren, dass ADHS nicht nur ein Handicap ist, sondern auch eine Quelle von Initiative, Inspiration und Kreativität.
Dass sie dabei nicht ins Kraut schießt, wie es gelegentlich in den Büchern Thom Hartmanns vorkommt, sondern immerbeim Leser bleibt, hängt mit ihrem Beruf als Coach zusammen. Ihre Beispiele sind praktisch, der Stil persönlich und erfahrungsbezogen, die Kapitel gut lesbar, weil sie farbig abgesetzt, abwechslungsreich gestaltet und mit pfiffigen Illustrationen von Timo Wuerz versehen sind. „ADHS ... Danke für die Gabe“ richtet sich an Laien, die sich für ADHS interessieren, aber vor allem an Betroffene, sei es als Selbstbetroffener, sei es als Vater oder Mutter. Es ist in 12 Kapitel aufgeteilt, von denen die Kapitel „Was ist ADS/ADHS?“ und „Was ist Coaching?“ die umfangreichsten sind.
Die Autorin bleibt im Rahmen ihrer Kompetenz. Wenn sie über medizinische und therapeutische Fakten spricht, dann als informierte Laiin. Wenn sie vom Umgang mit ADHS spricht, dann professionell als Coachee. Inhaltlich wird der kundige Leser über ADHS nichts Neues erfahren. Aber es geht auch nicht um eine Erweiterung des Wissens, sondern um dessen praktische Anwendung. Da aber die Kenntnisse über ADHS nach wie vor allgemein nicht vorhanden sind, nimmt die Frage, was ADHS ist, einen größeren Raum ein. Ich muss gestehen, dass ich mir hier und da schon etwas schärfere und klarere Ausführungen gewünscht hätte. So erwähnt sie auf S. 43 als Therapiemöglichkeit homöopathische Alternativen. Die Studienlage ist allerdings gegenwärtig noch sehr unsicher im Blick auf eine homöopathische Therapie. Auch der Satz „Medikamente sollten immer das Mittel der letzten Wahl sein und sind nur in Kombination mit anderen Techniken, also multimodal eingesetzt, erfolgreich“ (S. 54) ist nur teilweise richtig.
Der Mangel an Spezialisten für ADHS macht die Medikamentation zum heutigen Zeitpunkt noch zum Mittel erster Wahl. Der Lesbarkeit des Buches tun solche Anmerkungen aber kaum Abbruch. Etwas ungeschickt fand ich, dass sie in Kapitel sieben das von ihr entwickelte „MultiLernCoachKonzept“ zu breit vorstellt und dadurch im Leser unwillkürlich die Frage entstehen lässt, ob man, um ADHS positiv zu fördern, zuerst ein Elterncoaching nach diesem Muster durchlaufen muss. Diesen Eindruck hätte die Autorin verhindern können, wenn sie ihr Konzept im Hintergrund gelassen hätte; da ist vielleicht der Stolz auf ihre zweifellos ambitionierte und engagierte Arbeit durchgegangen.
Trotz dieser Anmerkungen halte ich „ADHS ... Danke für die Gabe“ für ein insgesamt empfehlenswertes Buch. Die ausgezeichnete Gliederung, der freundliche, konstruktive und durchweg positive Ton wird jedem Leser helfen, der sich bewusst und aktiv mit seinem ADHS oder dem seines Kindes auseinandersetzt.
Uwe Metz
neue AKZENTE Nr. 96 3/2013