Tanja Bresner, Wafaa Moussa, Konrad Reschke
„Emotionsregulation von Erwachsenen mit ADHS“
Shaker Verlag 2009
ISBN: 978-3832282868
Preis: 28,50 Euro
Es handelt sich bei dem vorliegenden Buch um eine Studie der Universität Leipzig mit dem Thema Konzentration, Persönlichkeit, Stress- und Emotionsregulation von ADHS-Erwachsenen.
Das Buch ist sehr wissenschaftlich und deshalb nur geeignet für den Leserkreis, der sich professionell mit diesem Thema beschäftigt.
Zunächst werden gut verständlich die Differenzierung der Aufmerksamkeit in Vigilanz (Aufmerksamkeit bei eher monotonen Tätigkeiten), die Alertness (Aufmerksamkeit bei hoher Reizdichte) und die Daueraufmerksamkeit beschrieben. Weiterhin wird auf die verschiedenen ätiologischen Modelle (Barkley, Döpfner, Lauth und Schlottke) bei der Entstehung der ADHS eingegangen und diese anschaulich in Graphiken dargestellt.
Die Definition der Emotionsregulation wird als Begriff erläutert. Hierunter wird eine Vielzahl von Coping-Strategien verstanden, die im weitesten Sinne durch den Begriff emotionale Intelligenz definiert werden. Dazu gehören: aus Fehlern lernen können, keine Angst vor Misserfolgen haben, ausreichende Selbstmotivation, Priorisierung, Selbstkontrolle, Aufgaben zu Ende bringen können, Selbstbestimmung, Selbstsicherheit, aktiv Entscheidungen fällen können, Kritikfähigkeit, Empathie und Selbstmanagement etc.
Die These bei dieser Studie war, dass ADHS-Betroffene in diesen Bereichen Defizite haben. Fast alle seelischen Erkrankungen zeigen allerdings Auffälligkeiten in der Selbstregulation und Emotionsregulation. So ist es auch als ein Therapieerfolg zu sehen, wenn diese Bereiche durch eine Psychotherapie verbessert werden können. Deshalb wird ja gerade auch in der Therapie das bewusste Wahrnehmen von Emotionen und deren Benennung geübt. Menschen, die ihre Emotionen bewusst wahrnehmen können und diese in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit rücken, lernen besser, ihre Emotionen angemessen zu regulieren und eine Ursachenanalyse zu machen. Je mehr eine Person fähig ist, auf belastende Gefühle mit wenig Aufwand und ohne langfristig negative Folgen positiv einzuwirken, desto gesünder ist sie. Als Alternative muss ein Mensch auch lernen, dass es gilt, bestimmte Gefühle zu akzeptieren und auszuhalten, wenn er diese nicht verändern kann. Akzeptanz und Toleranz ist ebenfalls ein Merkmal seelischer Gesundheit.
Die eigenen Gefühle müssen gezielt reguliert, akzeptiert und ausgehalten werden können. Ein Individuum benötigt ein breites Repertoire von Regulationsstrategien als Antwort unserer komplexen Interaktionen.
Bei ADHS-Betroffenen im Erwachsenenalter zeigt sich, dass diese sich häufiger ärgern, labiler sind und sie ihre Fähigkeiten, sich sozial auszudrücken als geringer einschätzen. Auch haben sie eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Missachtung sozialer Normen. Sie verwenden weniger emotionsbezogene Worte um emotionale Situationen zu beschreiben. Ihre erlebten Emotionen stuften sie aber intensiver ein. So zeigten ADHS-Betroffene eine höhere emotionale Intensität, konnten aber ihre Gefühle schwerer benennen. Sie konnten auch insbesondere ihre negativen Gefühle schlecht regulieren. Auch hatten sie öfter das Gefühl, von ihren Emotionen überflutet zu werden. Sie neigten zum Grübeln und waren länger mit ihren Gedanken beschäftigt, wenn sie aufregend oder berührend waren. Sie neigten weiterhin zu spontanen Entscheidungen, unüberlegten Handlungen, Selbstzweifeln. Ihr seelischer Gesundheitszustand war häufiger beeinträchtigt. Frauen versuchten häufiger, ihren Ärger zu unterdrücken.
Grundsätzlich zeigten ADHS Patienten mit zunehmendem Alter eine Erhöhung ihres gesundheitsgefährdenden Verhaltens, und so ist mit einer lebenslangen Rehabilitation bei der Behandlung von ADHS Patienten auszugehen. Die Autoren folgern daraus, dass ADHS Patienten störungsspezifische Therapieangebote gemacht werden sollten, die ihre besonderen Defizite berücksichtigen. Sie entwickelten darüber hinaus 3 Cluster von ADHS Patienten, die sich in ihren Verhaltensweisen unterschieden. Eine dieser Cluster zeigten gute Bewältigungsstrategien für ADHS, während zwei Cluster ein deutliches Risiko für Verhaltensstörungen aufwiesen. Der Vorschlag der Autoren hierzu ist, ADHS bei Erwachsenen auch noch genauer zu differenzieren.
Das Buch ist lesenswert und informativ für diejenigen, die sich professionell damit beschäftigen.
Dr. Astrid Neuy-Bartmann
neue AKZENTE 87 / 2010