Johannes Wilkes
Der kleine AD(H)S Therapeut
ISBN 978-3423345545
Deutscher Taschenbuch Verlag
Preis: 7,90 Euro
Literatur zum Themenkreis der Aufmerksamkeits-Defizit-Störung mit oder ohne Hyperaktivität (ADHS/ADS) gibt es mittlerweile meterweise. Ist es dann hilfreich, noch ein weiteres Buch dazu zu veröffentlichen? Im Falle von „Der kleine AD(H)S-Therapeut“ heißt die Antwort aus drei Gründen uneingeschränkt: „Ja“.
Zum ersten kenne ich kein leichter verständliches Buch zum Thema als dieses. Kaum zu glauben, dass ein Facharzt der Autor ist, so anschaulich ist die Sprache und so aus dem alltäglichen Leben gegriffen sind die Beispiele. Zehn Seiten an theoretischen Erläuterungen genügen Johannes Wilkes, um wesentliche Informationen zum Störungsbild der AD(H)S darzustellen, denn er hat bewusst kein Fachbuch verfasst.
Zum zweiten steht der praktische Familienalltag im Mittelpunkt, wie ihn vorzugsweise Mütter erleben. 41 Situationen auf 88 Seiten stellen klassische Konfliktsituationen vom Morgenchaos über das Einkaufen, Verwandtenbesuch, Hausaufgaben und Lernschwierigkeiten bis zum besinnlichen Weihnachtsfest in den Mittelpunkt. Natürlich gibt Wilkes zu jeder Situation auch Anregungen für ihre positive Bewältigung. Das sind keine Rezepte, sondern Denkanstöße, mal praktisch-konkreter, mal grundsätzlicher Natur.
Zum dritten vermittelt der Autor seinen Leserinnen in diesem Buch eine gelassene Grundhaltung, die von Verstehen und Verständnis geprägt ist. Wer sich das Verhalten von AD(H)S-Kindern erklären kann, reagiert eben eher verständnisvoll. Das Verständnis bezieht sich aber auch auf die Eltern selbst, denen er Schuldgefühle nimmt, wenn sie an die Grenzen ihrer nervlichen Belastbarkeit stoßen. Er ermutigt, professionelle Hilfen anzunehmen, und nimmt Ängste davor, indem er Einsatz und Wirkungsweise von Elterntraining, Verhaltenstherapie, Neuro- Feedback, Eltern-Kind-Kur und Familienhelfern darstellt. Auch auf Medikamente geht Wilkes wohltuend sachlich aufklärend ein und vergisst dabei nicht, viel diskutierte Alternativen zu kommentieren. Abschließend erörtert er sogar noch die Frage, ob Eltern möglicherweise selbst von einer AD(H)S betroffen sein könnten.
„Der kleine AD(H)S-Therapeut“ ist ein Buch, dessen Autor sich bewusst Grenzen gesetzt hat. Es ist eine Einstiegslektüre; wer mit der Thematik bereits vertraut ist, wird nichts Neues erfahren. Es ist von einer durchweg positiven Grundhaltung durchzogen, die bereits im ersten Satz des Vorworts beginnt (S. 9: „Tim ist ein großartiger Junge.“) und uns im letzten Absatz auf den Boden der Normalität holt: „Träumen ist keine Krankheit!“ (S. 140). Ein perfekter AD(H)S-Ratgeber für die Handtasche.
Detlef Träbert
neue AKZENTE 83 / 2009