Begleitstörungen

Borderline

Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige

Ewald Rahn

Psychiatrie-Verlag, 2006

ISBN-10: 3884142585

ISBN-13: 978-3884142585

Preis: € 12,90

Borderline - was ist das eigentlich? So wird man öfters gefragt im Zusammenhang mit Vorträgen über ADHS. Die Antwort ist nicht ganz einfach. Psychische Störungen sind schwer ein- bzw. abzugrenzen. Der Autor, Neurologe und Psychotherapeut, versteht das Buch als Ratgeber.

Borderline gilt als schwere Persönlichkeitsstörung. Zitat: »Persönlichkeitsstörungen haben meist eine Vorgeschichte. Die Symptome entwickeln sich langsam und erst die Reaktion der Umwelt führt dazu, dass sich die Symptome verfestigen. Wenn der Leidensdruck offensichtlich wird, hat die Störung bereits eine lange Geschichte.« Kennen wir diesen Teufelskreis nicht?

Die Diagnose »Borderline« ist noch relativ jung. Doch ist die Störung, die heute mit diesem Begriff beschrieben wird, schon im 17. Jh. bekannt gewesen. Der englische Arzt T. Sydenham berichtet von Menschen, die durch Launenhaftigkeit, Unberechenbarkeit und plötzliche Ausbrüche von Wut, Schmerz, Angst und ähnliche Emotionen auffielen. In den diagnostischen Kriterien nach DSMIV - der internationalen Klassifizierung psychischer Störungen - tauchen diese Symptome dann auch alle wieder auf: Angst vor Verlassenwerden - instabile zwischen menschliche Beziehungen
- ausgeprägte Identitätsstörung, was Selbstbild und Eigenwahrnehmung betrifft - selbstschädigendes Verhalten - wiederholte suizidale Handlungen - Probleme, emotionale Ausbrüche zu kontrollieren - chronisches Gefühl von Leere -
durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen.

Bei Borderline geht man von einer genetischen Disposition aus. Die Störung wird aber erst im Jugendalter evident. Man zählt etwa 2 Prozent der Bevölkerung dazu. Nun können Menschen mit einem Teil dieser oben beschriebenen Verhaltensweisen durchaus leben, ohne ständig anzuecken. Wenn ein bestimmter Leidensdruck sowohl für die Betroffenen selbst als auch deren Umfeld quälend wird, sollte Hilfe in Anspruch genommen werden.

Wichtige Voraussetzung ist die Wahl des richtigen Therapeuten. Die Motivation der Betroffenen, sich überhaupt behandeln zu lassen, hängt sehr von dieser Persönlichkeit ab. Sie sollte außer Fachkompetenz auch die Fähigkeit haben, ein enges Vertrauensverhältnis aufbauen zu können, da die Behandlung bei Borderline u. U. recht lange dauern kann.

Ziel der Behandlung: Das eigene Leben wieder in den Griff zu bekommen, selbstbestimmt und in eigener Verantwortung. Medikamentös kann man nur punktuell bestimmte Symptome lindern. Aber wie bei anderen psychischen Störungen auch sind Medikamente nur Hilfs- und keine Heilmittel. In dem Buch kommen viele Betroffene zu Wort, die sich zu ihrem Leben und ihren Konflikten mit der Umwelt äußern. Auch Therapieerfolge werden beschrieben.

Bei Borderlinern gibt es viele Diagnoseansätze, bis man dann endlich den nervus rerum erkannt hat. Im Laufe seines Lebens kann ein Borderliner u. a. folgende Diagnosen erhalten: Depression, Angst-Neurose, Somatisierungsstörung, bipolare Störung, Bulimia nervosa. Mit keinem Wort wird in dem Buch ein Störungsbild erwähnt, das, wie neuere Untersuchungen zeigen, mit Borderline eine hohe Überschneidungsrate hat, nämlich ADHS. Ganze Symptombereiche beider Störungen sind austauschbar. Die Kinderneurologin Helga Simchen geht davon aus, dass eine schwere Beziehungsstörung zwischen Mutter und Kind infolge einer nicht erkannten und deswegen nichtbehandelten ADHS-Störung dem Borderline Vorschub leistet. Es ist zu fragen, weshalb dieser Zusammenhang völlig außer acht gelassen wurde. Die schweren Langzeitfolgen der BL-Störung könnten durch eine rechtzeitige, fachgerechte Behandlung der ADHS verhindert oder gelindert werden. Diese Einseitigkeit schmälert etwas den Wert des Ratgebers, der im Übrigen besser geeignet ist für die Angehörigen von Betroffenen als Einstieg in ein ihnen unbekanntes Krankheitsbild. Die Frage bleibt.

Margarete Gatzen

aus neue AKZENTE Nr. 75 - 2007

 

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